Große Verlage vs. Internet Archive

Das Internet Archive, eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in San Francisco, hat sich seit Jahren der Mission verschrieben, das weltweite Wissen für alle zugänglich zu machen. Doch jüngste Ereignisse haben diese Mission erheblich erschwert. Eine massive Copyright-Klage großer Verlage hat das Archive gezwungen, etwa 500.000 Bücher aus seiner digitalen Bibliothek, der Open Library, zu entfernen.

Was ist passiert?

Die Open Library des Internet Archive funktioniert ähnlich wie traditionelle Bibliotheken: Sie verleiht digitale Kopien physischer Bücher, die gekauft oder gespendet wurden. Doch genau dieses Modell stieß auf den Widerstand der großen Verlage Hachette, HarperCollins, John Wiley & Sons und Penguin Random House. Diese reichten 2020 eine Klage in New York ein und warfen dem Internet Archive vor, das Copyright vorsätzlich zu verletzen, indem es Bücher scanne und die Digitalisate auf seiner Website anbiete. Besonders während der Corona-Pandemie, als das Internet Archive seine Bibliothek als „National Emergency Library“ unbegrenzt für Studenten öffnete, verschärfte sich der Konflikt.

Im März 2023 entschied das Gericht, dass das Internet Archive für diese Urheberrechtsverletzungen haftet und Schadenersatz zahlen muss.

Der Kampf um Fair Use

Das Internet Archive ist gegen diese Entscheidung in Berufung gegangen. Der Betreiber argumentiert, dass sein „kontrolliertes digitales Leihprogramm“ eine rechtmäßige Nutzung gemäß der Fair Use-Doktrin der USA darstellt. Dieses Prinzip ermöglicht es, urheberrechtlich geschützte Werke unter bestimmten Bedingungen ohne Erlaubnis des Rechteinhabers zu nutzen, etwa für Bildungszwecke.

Die Verhandlung dazu findet am 28. Juni statt, und das Internet Archive versucht, die öffentliche Unterstützung zu mobilisieren, indem es das Ausmaß der bisherigen Auswirkungen des Urteils publik macht.

Auswirkungen und Maßnahmen

Laut der im zweiten Verfahrensgang diskutierten Unterlassungserklärung können die Verlage dem Internet Archive Listen der Werke übermitteln, die sie als E-Book vermarkten. Das Archive hat dann 14 Tage Zeit, diese aus seiner Bibliothek zu entfernen. Wenn die Verlage einen Titel nicht als E-Book anbieten, darf das Internet Archive die eigenen Scans weiterhin verleihen.

Chris Freeland, Bibliothekar beim Internet Archive, betont die Bedeutung dieser Arbeit: „Wir möchten es unseren Bibliotheksbesuchern ermöglichen, die Bücher, die wir besitzen, auszuleihen und zu lesen, wie in jeder anderen Bibliothek auch. Diese Arbeit ist für Leser und Autoren gleichermaßen wichtig, da viele jüngere und einkommensschwache Leser nur lesen können, wenn Bücher kostenlos ausleihbar sind.“

Der technische Aspekt

Das Internet Archive verwendet branchenübliche Technologie, um zu verhindern, dass die ausgeliehenen Bücher heruntergeladen und weiterverbreitet werden. Dieses digitale Rechtekontrollmanagement (DRM) soll sicherstellen, dass die Bücher nur unter den vorgesehenen Bedingungen genutzt werden können. Trotz dieser Maßnahmen fordern die Kläger, dass das Archive die Bücher nicht verleihen darf, was zu einer einstweiligen Verfügung und den beschriebenen negativen Konsequenzen geführt hat.

Der Blick nach vorne

Es besteht Hoffnung auf eine positive Wende. 2015 urteilte ein US-Berufungsgericht, dass Googles Buch-Scanprojekt Books nicht gegen das Copyright verstößt, da es dem Fair Use-Konzept entspricht. Das Internet Archive hofft auf ein ähnliches Ergebnis, obwohl Google Books nicht das Ausleihen, sondern das Durchsuchen und Lesen von Auszügen ermöglicht.

Das Internet Archive hat einen offenen Brief an die Verleger verfasst und fordert sie auf, den Zugang zu den Büchern und dem darin enthaltenen Wissen wiederherzustellen. Die Petition steht zur Mitunterzeichnung offen.

In einer digitalen Welt, in der der Zugang zu Wissen immer wichtiger wird, zeigt dieser Fall, wie komplex das Gleichgewicht zwischen Urheberrecht und öffentlichem Zugang ist. Das Ergebnis dieser Berufung könnte weitreichende Konsequenzen für die Zukunft digitaler Bibliotheken haben.

 

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