Die vergessene Magie von Softstrip

Manche Technologien kommen zu früh. Andere wirken alt, noch bevor sie überhaupt richtig auf dem Markt sind. Softstrip gehört eindeutig zur zweiten Kategorie. Es war eine Idee voller Charme und Nerd-Romantik: Programme nicht mehr mühsam abtippen, sondern einfach als Barcode aus einem Magazin einscannen. Eine Vision, bei der Technik und Alltag nie richtig zueinanderfanden.

Vom Supermarkt in den Computer

Schon in den 1950er-Jahren hatten zwei US-Ingenieure die Idee, mithilfe von Strichen Informationen zu speichern. Inspiriert vom Morsecode entwickelten sie das erste Barcode-System, das später bei IBM landete. Richtig durchgesetzt hat sich das erst in den 1970ern. Damals wurden die schwarz-weißen Striche zum Standard im Einzelhandel.

Als Computer den Alltag eroberten, dachten einige weiter: Wenn sich Preise in einem Barcode unterbringen lassen, warum dann nicht auch Software? Doch die klassischen Barcodes boten kaum Platz. Also musste eine neue Form her. Das Unternehmen Cauzin stapelte Striche vertikal übereinander und erfand damit ein mehrlagiges Codesystem. Heraus kam Softstrip – ein Speichermedium aus Papier.

Scannen statt Tippen

Softstrip war nicht für Unternehmen gedacht, sondern für Computerbegeisterte. Die Zielgruppe waren Menschen, die zu Hause mit einem Apple II, IBM-PC oder Mac arbeiteten. Magazine konnten damit Programme abdrucken, die sich direkt einscannen ließen. Das sollte das lästige Abtippen von Codezeilen überflüssig machen.

In der Praxis sah das anders aus: Das Lesegerät kostete rund 200 Dollar und funktionierte nur mit sehr sauber gedrucktem Material. Es war technisch beeindruckend, aber alles andere als bequem. Der Scanner tastete die Papierstreifen mit Infrarotlicht und kleinen Linsen ab. Ein rotierender Zylinder bewegte sich dabei zeilenweise über die Seiten. Pro Programm brauchte man schnell 50 Seiten Papier für gerade einmal 65 Kilobyte Daten.

Fehler, die keiner bemerkt

Ein weiteres Problem war die Fehleranfälligkeit. Softstrip konnte zwar erkennen, wenn etwas nicht stimmte, aber es konnte nichts korrigieren. Schon kleine Druckfehler oder Unregelmäßigkeiten beim Einlesen führten dazu, dass Programme nicht funktionierten. Die Nutzer bemerkten das oft erst später, wenn das Programm abstürzte oder sich seltsam verhielt.

Der Informatiker Michael Reimsbach untersuchte das System Jahre später in seiner Masterarbeit. Er zeigte, wie leicht sich Fehler unbemerkt einschleichen konnten. Das machte es extrem schwierig, alte Softstrip-Daten zu rekonstruieren. Was auf dem Papier stand, war oft nicht das, was der Rechner las.

KI als Rettung

Trotz der vielen Schwächen ließ Softstrip einige Tüftler nicht los. Reimsbach gehörte zu ihnen. Gemeinsam mit seinem Professor suchte er nach alten Softstrip-Ausdrucken. Manche fand er in Büchern, andere kaufte er online. Mit Hilfe eines neuronalen Netzwerks konnte er viele der beschädigten Barcodes wieder lesbar machen. Die Erkennungsrate lag bei über 90 Prozent.

Ohne echte Anwendung verliert selbst Technik den Reiz

Was Softstrip am Ende zum Scheitern brachte, war nicht nur der hohe Preis oder die technische Komplexität. Das größte Problem war die fehlende Nachfrage. Es gab einfach keinen überzeugenden Grund, warum jemand dieses System dauerhaft nutzen sollte. Disketten waren günstiger, zuverlässiger und viel verbreiteter. Sogar das Byte Magazine, das Softstrip anfangs unterstützte, beendete die Zusammenarbeit nach nur zwei Ausgaben.

Softstrip war eine Antwort auf eine Frage, die niemand wirklich gestellt hatte. Es konnte sich nicht durchsetzen, aber es bleibt ein faszinierender Beweis dafür, wie kreativ technologische Experimente sein können. Vielleicht liegt genau darin der wahre Wert: in der Erinnerung daran, was alles möglich ist, wenn man gewohnte Wege verlässt und etwas komplett Neues versucht.

 

In Anlehnung an einen Artikel auf Golem.de, mit Erkenntnissen von Michael Reimsbach. Redaktionell überarbeitet. 

© stock.adobe.com, GVictoria